Zeitzeugen

Zeitzeugengespräch (zweiter Generation) – Ein Treffen mit Carol Pinker  

Heute, am 14.06.22, hatten wir, der LK Geschichte der Q2, die Ehre mit einer Zeitzeugin zweiter Generation, Carol Pinker, ins Gespräch zu kommen. Carol ist die Tochter zweier während des Holocausts aus Frankfurt geflüchteten Juden und hat uns im Rahmen eines Projektes besucht.

Dieses Projekt fand unter der Themeneinheit Nationalsozialismus – Jüdisches Leben in Frankfurt statt.

Carol Pinkers Eltern, Herta und Karl Wolf, führten als Juden ein wundervolles Leben in Frankfurt. Dies änderte sich jedoch 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten schlagartig. Mit immer weiter zunehmender Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung von Juden, sahen sich Herta und Karl Wolf gezwungen 1938 aus Deutschland zu fliehen. Obwohl einigen Familienmitgliedern die Flucht ebenfalls gelang, blieb ein großer Teil der Verwandtschaft zurück, so auch Carols Großeltern. Das Land, in dem ihre Eltern sich schließlich niederließen, war die USA, wo sie nun begannen sich ein neues Leben aufzubauen. Es handelt sich damit letztlich auch um den Geburtsort Carol Pinkers. Sie wuchs mit anderen aus Deutschland geflüchteten Familien in einer deutsch-jüdischen Community in New York auf.

Heute lebt Carol Pinker gemeinsam mit ihrem Ehemann Harold Pinker in Dallas, Texas in den USA. Sie ist pensionierte Lehrerin und weiterhin tätig am „Dallas Holocaust and Human Rights Museum“ (https://www.dhhrm.org/).

Carol hatte Frankfurt, den Geburtsort ihrer Mutter, bereits drei Mal besucht, ein weiterer Besuch wurde zunächst durch die Corona-Pandemie verhindert. Zum Glück jedoch nur aufgeschoben, nicht aufgehoben, sodass wir die wunderbare Gelegenheit bekamen, Carol und ihren Ehemann Harold kennenzulernen.

Nach der Ankunft der beiden an unserer Schule, dem Willkommensgespräch mit unserem Schulleiter Herrn Gans und einem anschließenden kurzen Rundgang durch das Schulgebäude, verlagerte sich das Treffen in einen Klassenraum, wo es in einem lockeren Stuhlkreis bereits zu einem ersten Austausch kam. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde begann das „offizielle Zeitzeugengespräch“. Carol berichtete uns anhand von Bildern und Dokumenten die Lebensgeschichte ihrer Familie und ihr selbst. Sie erzählte uns z.B. vom Leben ihres Großvaters. Herman Traub kämpfte im Ersten Weltkrieg für Deutschland, baute sich in den darauffolgenden Jahren ein Leben samt Familie auf und wurde schließlich 1941 deportiert. Auch von ihren Eltern erzählte sie einiges. Jedoch hauptsächlich von der Zeit vor der Machtübernahme und der Flucht. Denn Carols Eltern thematisierten die Verfolgung im eigenen Land gegenüber ihrer Tochter nicht, wie Carol mit einem energischen „Nie, nie, nie!“ beteuert.

Einige der Geschichten hatten auch einen friedvollen, fröhlichen Unterton, wenn sie beispielsweise aus der Kindheit ihrer Mutter erzählte.

Die Geschichten, die Carol uns erzählte, waren sehr bewegend und haben uns stark berührt. Es ist ein ganz anderes Erlebnis, über Geschichten zu lesen oder sich alleine zu informieren. Die Erzählungen Carols waren emotional besonders fesselnd und von sehr großer Intensität, es war wahnsinnig spannend zuzuhören.

Wir durften jederzeit Fragen stellen und unsere Anmerkungen äußern. Carol ist ihnen mit ihrer offenen und liebenswürdigen Art nachgegangen, bei manchen Fragen und Erzählungen ebenfalls mit Unterstützung durch ihren Ehemann Harold.

So kamen wir von den Berichten Carol Pinkers zu einer offenen Diskussionsrunde über die Themen Flucht, Vertreibung, Migration und Identitätsbildung, sowie zu dem Thema Antisemitismus und den Umgang damit in der heutigen Zeit.

Die Ansichten Carols waren dabei sehr inspirierend.

Akzeptanz statt Toleranz. Die Aufgabe uns junger Menschen sei nicht, die Fehler vorheriger Generationen auszubaden, sondern ein neues Deutschland zu formen, in dem Offenheit und Akzeptanz herrschen. In diesem Zusammenhang kamen wir auf das Thema Identität und heimatbezogene Verwurzelung, und wie sich die Zeit des Nationalsozialismus sowohl auf das Leben und die Identitätsbildung der Geflüchteten als auch auf die jüngeren Generationen Deutschlands auswirkt.

Auch über die Erinnerungskultur haben wir uns unterhalten. Die Wichtigkeit von Gedenkstätten und sich an das zu erinnern, was war, aus der Vergangenheit zu lernen, sie nicht wegzusperren. Über seine Erlebnisse und Erinnerungen zu sprechen, um diese weiterzugeben, sodass sie nicht verloren gehen können.

Das Zeitzeugengespräch endete schließlich mit einer positiven und ermunternden Note. Nach einer kleinen Abschiedsrunde, Erinnerungsfoto und einer Einladung Carols und Harolds nach Dallas verabschiedeten wir uns auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen.

Dieses Projekt war für uns als LK Geschichte, aber vor allem auch für jeden einzelnen von uns eine prägende und überwältigende Erfahrung, die einem noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Wir sind dankbar Teil dieses unvergesslichen Projektes gewesen zu sein.

A.-D. K. (Q2, LK Geschichte)

Nachdem ein wenig Zeit vergangen war, wir das Treffen wirken lassen sowie reflektiert haben und uns Carol ein nettes Paket aus Dallas (Dallas Holocaust and Human Rights Museum) gesendet hatte, haben wir als ein kleines Dankeschön diesen Podcast erstellt:

Liebe Grüße an Carol und Harold aus Frankfurt am Main 🙂